Lüneburger Heide

Staubwischen im Galopp

    
Liebe kann Berge versetzen - und bisher den Reitsport eher abgewandte Männer sogar in den Sattel bringen. Nachdem Rainer Piske jahrelang die Liebe seiner Frau Christine mit einem Pferd teilen musste, beschloss er, selbst hinter dieses Geheimnis zu kommen. Und machte sich gemeinsam mit ihr auf den Weg in die Lünebuger Heide. Ein persönlich-individueller Erfahrungsbericht.

Herrliche Fachwerkhäuser, schattige Wälder und weite Felder wischen an den Autofenstern vorüber. Vor uns liegen   drei Schnuppertage auf dem Brunnenhof - schnuppern natürlich nur für mich, meine Frau freut sich auf die Fortgeschrittenen-Stunden. Umringt von hohen Laubbäumen, ist das Reithotel Brunnenhof Teil eines alten Rundlingshofs. Herzstück ist das aus dem Jahre 1743 stammende Haupthaus - ein kaum verändertes, typisch niedersächsisches Fachwerk-Bauernhaus mit ausladendem Reetdach. Auf dem Weg zum Stall kommen wir am Misthaufen vorbei. "Hier stinkt es", hätte ich früher gedacht. Reitlehrerin Corinna kommt auf uns zu: "Wer ist der Anfänger", fragt sie und lächelt, als meine Frau auf mich deutet: "Das ist meistens so."

Fabienne, eine neunjährige Hannoveranerstute, steht bereit. Da ich von Christine schon Putzen, Satteln und Trensen gelernt habe, mache ich mich gleich ans Werk. Corinna, die ausgebildete Pferdewirtin und Trainerin, nimmt mich an die Longe. Die braune Stute schnaubt und entspannt sich - ich mich jedoch nicht. Ich schwitze. In meinem Kopf schwirren Fragen: "Ist Fabienne wirklich brav? Ist der Unterricht gut? Warum müssen gerade jetzt so viele Leute an der Bande stehen? Was mache ich hier eigentlich?" Corinna hilft. "Setz dich einfach gemütlich hin, wie in einem Sessel. Stell dir vor, du hast dabei einen Apfel auf dem Kopf liegen, und zusätzlich willst du eigentlich gar nicht, dass das Pferd dich auf dem Rücken spürt. Schwing mit den Hüften mit. Versuche, mit der ganzen Länge deines Beins, die Körperwärme deines Pferdes zu spüren, ohne zu pressen. Dann sitzt du richtig." Fabienne geht brav im Schritt. Ich fühle, schwinge und höre: "Reiten ist eine Gefühlssache."

Wahrscheinlich Reiten deswegen so viele Frauen, wundere ich mich. Sofort muss ich mich wieder konzentrieren, denn nun soll ich das Pferd ohne Zügel anhalten. "Dafür brauchst du keine Zügel. Kippe dein Becken nach vorne und presse die Beine zusammen, als ob du Fabienne die Luft rausdrücken willst. Das hältst du maximal vier Sekunden. Wenn das Pferd nicht stoppt, probierst du es noch mal." Natürlich bleibt Fabienne nicht stehen. Aber nach dem zweiten Versuch klappt es. Mein erster großer Erfolg. Wer reiten will, lernt als erstes, sich kleine Ziele zu setzen.

Später sagt mir Sabine Wörner, die Chefin des Reithofs, erfolgreiche Dressurreiterin mit zahlreichen M- und S-Siegen und ausgebildete Reitlehrerin, dass sie bei ihren Schülern Wert auf eine feine Kommunikation legt. "Wir sehen Reiter und Pferd als eine Einheit vermitteln den losgelassenen Sitz, sichere Balance und Feingefühl bei der Hilfengebung." Alleine auf Gewichtsverlagerung reagieren die 20 teilweise bis M ausgebildeten Schulpferde. So kann man sagen: Nicht ohne Grund ist der Brunnenhof ein FN-geprüfter Reitstall mit drei Sternen....

... der erste Galopp. Corinna erklärt: "Mit dem inneren Bein gibst du Treib-Impulse, das äußere legst du verwahrend etwas weiter nach hinten. Du bleibst im Sattel sitzen und bewegst dich so, als ob du diesen von hinten nach vorne auswischen willst, weil er staubig ist. Das ist alles." Klingt so einfach, aber den Sattel bekomme ich nicht sauber, denn sonst würde Corinna nicht rufen: "Wischen, wischen, wischen!" Ich habe ganz andere Sorgen. Ist das schnell. Meine Augen tränen vom "Fahrtwind". Und dann ist alles vorbei. Warranty pariert durch. Er hat keine Lust mehr. Ganz außer Atem, habe ich nämlich das Treiben vergessen. Im stolzen, aber steifen John-Wayne-Gang verlasse ich später die Reithalle. ...


Christine Blödtner-Piske