Cavaletti-Arbeit zur Kunst erhoben

Ingrid Klimke   

    
Das Arbeiten mit Bodenricks ist momentan in aller Munde. Ist es doch mehr als nur gymnastizierendes Basistraining, denn es erhält die Gesundheit und steigert die Muskelkraft des Pferdes. Zudem fördert es Koordination, Beweglichkeit und Balance.

Daher war unsere Autorin Christine Blödtner-Piske im August 2005 auf einem Cavaletti-Seminar mit Ingrid Klimke und erfuhr dort von der Kunst, mithilfe durchdachter Cavaletti-Arbeit Freude sowie wertvolle Ergebnisse für Reiter und Pferd zu erzielen.

Der Erfolg spricht für sich

„Ich nutze die Cavaletti-Arbeit, um die Pferde gesund zu erhalten, die Muskulatur zu kräftigen und auch zu lockern“, sagte Ingrid Klimke zum Abschluss des Cavaletti-Seminars auf Gut Scheurenhof in Stommeln nahe Pulheim, welches von der Sporthochschule Köln organisiert wurde. „Die Bodenricks fördern zudem die Koordination des Pferdes, so dass es trittsicher wird.“ All ihre Pferde im Stall müssen regelmäßig über Cavalettis schreiten, traben oder sogar galoppieren. Und der Erfolg gibt der Dressur-, Spring- und Militäryreiterin und aktuelle Bronzemedaillengewinnern der Vielseitigkeits-Europameisterschaften 2005 aus Münster Recht. Kein Wunder, dass das Seminar mit knapp 450 Teilnehmern gut besucht war.

Wer das Cavaletti noch nicht kennt...

Gleich zu Anfang stieg Ingrid Klimke in den Sattel eines großrahmigen fünfjährigen Fuchses und zeigte, wie man junge und Cavaletti-unerfahrene Pferde an die Arbeit mit Bodenricks heranführt. „Die ersten zehn Minuten geht man Schritt am hingegebenen Zügel, damit das Pferd warm wird, gucken kann und sich an die Atmosphäre gewöhnt. So gibt man den Pferden, die Cavalettis nicht kennen, erst einmal Sicherheit“, erklärte Ingrid Klimke. Der Fuchs hielt den Kopf erhoben, lauschte dem Knacken des Mikrofons und drängelte immer wieder zum Ausgang. Um das Pferd zu beruhigen und abzulenken, ritt sie im Trab auf dem Zirkel – in Dehnhaltung vorwärts/abwärts. „Wenn er den Hals fallen lässt, geht sofort die innere Hand vor. Gleichzeitig versuche ich, das Pferd mit meinem Sitz auf der Zirkellinie zu halten.“ Immer, wenn der fünfjährige Wallach zum Ausgang driftete, hielt sie mit dem äußeren Zügel und dem äußeren Schenkel dagegen.

Mit Maßband und richtiger Peilung

Langsam beruhigte sich das Nachwuchspferd und Ingrid Klimke konnte mit der eigentlichen Aufgabe beginnen: Erst einmal im Schritt über ein einzelnes Cavaletti. Zu Hause, so erzählte sie, stelle sie alle Cavalettis schon vorher im richtigen Abstand auf den Platz, obwohl sie immer erst mit einem einzelnen beginne. Nach und nach ziehe sie dann die anderen Cavalettis auf ihre Linie und so habe sie den passenden Abstand. „Ich habe immer ein Maßband bereit, denn die richtigen Abstände sind das A und O.“ Für die Schrittarbeit sollte der Abstand zwischen den einzelnen Bodenricks circa 80 Zentimeter betragen. Und während sie mit dem Fuchs entspannt über das eine Cavaletti ging, erklärte sie weiter: „Als Reiter bin ich verantwortlich, immer gerade auf die Mitte zu zureiten. Ich schaue schon früh genug auf die Mitte des ersten Cavalettis. Alles, was dann passiert, ist sein Job, ob er es berührt oder noch einen kleinen Schritt macht, das …


Christine Blödtner-Piske


Der Pferdesporttherapeut

Susanne Wehrke   

   
Massage, Dehnungen oder Akupressur gehören zum Bereich der Physiotherapie und zählen zu den ältesten Heilmethoden im Humanbereich. Doch was für Menschen gut ist, kann für Pferde nicht schaden. So kann man seit längerem schon den Beruf des Pferdesporttherapeuten sowie des Pferde-Physiotrainers erlernen. Unsere Autorin Christine Blödtner-Piske hat Susanne Wehrke kennen gelernt und ihr bei der Arbeit zugeschaut.

Hochleistungssportler „unter dem Daumen“

 Entspannt steht Roquefort da. Zuckt nicht, bewegt sich nicht, hält einfach still. Das paralympische Spitzenpferd von der Behindertenreiterin Bianca Vogel weiß, dass ihm geholfen wird. Was gemacht wird? Susanne Wehrke, gelernte Pferdesporttherapeutin und Physiotrainerin, massiert ihm gerade die Rückenmuskulatur. „Roquefort hatte bei der Deutschen Behindertenmeisterschaft im Sommer plötzlich nicht mehr auf die Hilfen reagiert und sich verspannt, so dass ich keine Chance hatte, meine Leistungen aus Athen zu bestätigen, und sogar das Turnier abbrechen musste“, sagt Bianca Vogel, die bei den Paralympics im vergangenen Jahr mit Roquefort zweimal Silber gewann. „So holte ich Susanne Wehrke. Nach einem Vorgespräch und gründlichem Pferdecheck mit Analysen des Ernährungszustandes, Exterieurs mit Wirbelsäule und Muskulaturzustand sowie des Gangs therapiert sie ihn nun. Alles ist schon wieder viel besser geworden, so locker war er noch nie.“ Und während Bianca Vogel das sagt, beginnt die Physiotrainerin mit der Druckpunktmassage.

Handarbeit „auf den (Schmerz-)Punkt gebracht”

Roquefort bewegt sich ein bisschen zur Seite, Susanne Wehrke hat den verspannten Punkt getroffen. Mit bis zu zwölf Kilo Gewicht drückt die zierliche Frau, die 1,58 Meter groß ist, das Blut aus dem schmerzenden Bereich weg, um anschließend vermehrt Blut in diese Muskelzone mit einer Querfriktion einzumassieren. „Das finden die Pferde nicht so schön, weil es ein bisschen schmerzt, aber schon nach der ersten Massage ist die ganze Partie lockerer. Nach dem vierten Drücken ist die Verspannung an diesem Tag erst mal weg“, sagt Susanne Wehrke, die normalerweise für diese Therapie drei bis vier Behandlungseinheiten einplant.

Rückenprobleme als Stein des Anstoßes

Seit zweieinhalb Jahren arbeitet die 44-Jährige, die in einem kleinen Dorf bei Hennef wohnt, nun schon als Pferdesporttherapeutin und Physiotrainerin – und das mit Erfolg, aber auch mit viel Idealismus. „Ich kann mich nicht über mangelnde Arbeit beschweren. Im Sommer ist es immer ein bisschen weniger, aber wenn die Saison vorüber ist, dann geht es los.“ Dann bleibt ihr nicht mehr viel Zeit für ihre eigene Araberstute, die eigentlich der Auslöser war, warum Susanne Wehrke Physiotrainerin geworden ist. „Meine Stute hatte schon immer Rückenprobleme. Da mein Mann und ich Distanzreiten machen, ist es gerade wichtig, dass die Pferde keine Rückenschmerzen haben.“ Aber auch ihre eigene Lebensgeschichte verhalf ihr dazu, den alten Job in der Musikindustrie an den Nagel zu hängen und sich als Physiotrainerin für Pferde selbstständig zu machen …
           
   
Christine Blödtner-Piske