Szene & Leute

„Nicht begrenzt sondern begabt“

Seit Geburt hat Rainer Schmidt keine Unterarme und einen verkürzten Oberschenkel. Ganz normal wuchs er im Umkreis seiner Eltern und Geschwister auf und lernte, mit seiner Begrenzung zu leben. Und das so erfolgreich, dass er seit über 20 Jahren Medaillen bei nationalen sowie internationalen Meisterschaften und bei den Paralympics sammelt. Und nun zählt er auch zu den Buchautoren.

„Ich war zwölft Jahre alt. Im Sommer 1977 fuhr unsere Familie nach Österreich in das kleine Dorf Tamsweg. Meine Eltern wandern gerne, ich nicht. Ich glaube, das Dorf war noch kleiner als unser eigenes. Kein Spielplatz, kein Fußballplatz, nichts. Aber eine Tischtennisplatte draußen, jederzeit bespielbar. Mein Bruder und die anderen des Dorfes spielten gerne. Ich habe es auch probiert. Den Schläger mit beiden Armen festgehalten und dann geschlagen. Selten kam ein Ball auf der anderen Seite an. Und nach ein paar Bällen hatte ich kaum mehr Kraft, den Schläger zu halten, meine Arme waren einfach zu kurz. Also gab ich auf. Fortan habe ich gezählt, wenn die anderen spielten. Eines Tages sah ein Urlaubsgast aus unserer Pension zu, Herr Lutz. Er sprach mich an >>Willst du nicht auch mitspielen?<< >>Doch ich würde gerne. Ich hab’s auch schon ausprobiert, aber ich kann den Schläger nicht festhalten.<< Er grübelte nach. >>Ich werde mir was einfallen lassen<<, versprach er. Am nächsten Tag kam er wieder zur Tischtennisplatt. Er hatte Schaumstoff dabei und Schnüre. Eine erste Lage Schaumstoff legte er um meinen Arm, dann kam der Schläger und dann noch einmal Schaumstoff. Das alles band er mit den Schnüren fest. Die Kinder ließen mich ausprobieren. Der Schläger wackelte zwar ein wenig, aber nun kam ich viel besser an die Bälle und konnte richtig mitspielen.“ Direkt nach diesem Urlaub meldete sich Rainer Schmidt mit wackeligen Knien in einem Tischtennisverein an.

Tischtennis verändert Leben

Dieser Auszug aus Rainer Schmidts Buch „Lieber Arm ab als arm dran“ umschreibt den Beginn seiner außergewöhnlichen Tischtenniskarriere, die mit vielen Europa- und Weltmeisterschaftstiteln sowie mit paralympischen Medaillen gekrönt ist. Diese kleine Idee von Herrn Lutz hatte also weitreichende Folgen. „Dafür bin ich ihm bis heute dankbar“, sagt der 40-jährige Rainer Schmidt und betont: „Das hat mein Leben sehr verändert. Mit 15 Jahren ging es dann richtig los und 1983 spielte ich meine erste Europameisterschaft mit.“ Dass er in den Leistungssport hineinwuchs, hatte er allerdings seinem Vater zu verdanken, der ihm eine spezielle Kunststoffröhre zum Befestigen des Tischtennisschlägers anfertigte. So wackelte der Schläger nicht mehr, und er konnte voll aufspielen.

Zudem hatte er einfach Glück gehabt, dass der Vereinstrainer ihn damals nicht abgewiesen hatte und ihm gleich seine ersten Spielpartner zuwies. „Es kamen auch keine blöden Sprüche von den Kindern, wie Fang’ doch erst mal mit dem Klavierspielen an, bevor du Tischtennis spielst.“

In seiner Jugend trat er zunächst gegen nichtbehinderte Gegner an. „Natürlich waren diese überrascht, wenn sie mich sahen. Oft fingen die Leute dann erst ganz verhalten an zu spielen. Ich gewann meist den ersten Satz und dann merkten sie, dass er hier um Tischtennis ging.“ Dieser damalige Vorteil ist heute verschwunden.

Mit 15 Jahren wurde er für den Behindertensport entdeckt und nachdem er zum ersten Mal Europameister in seiner Leistungsklasse 6 wurde, wollten alle gegen ihn spielen – und ihn schlagen. „Seit dem wurde ich eigentlich nur noch gejagt“, sagt Rainer Schmidt mit einem Augenzwinkern. ....
        
Christine Blödtner-Piske